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Dr. Kurt Prager

Von Berlin in die Ostzone und wieder zurück

Der Berliner Richter verlor aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung 1935 seine Stellung, wurde später zur Zwangsarbeit eingezogen und folgte nach Kriegsende seiner evakuierten Familie in die märkische Kleinstadt Treuenbrietzen.

Hier konnte er seine Tätigkeit als Richter am Amtsgericht wieder aufnehmen, spürte jedoch früh die neue politische Einflussnahme in der Sowjetischen Besatzungszone. Nachdem er ein Strafverfahren gegen einen CDU-Politiker, trotz des Drucks der Militärverwaltung, einstellte, eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet und zudem wenige Tage später sein beigeordneter Amtsanwalt verhaftet wurde, entschloss er sich 1950 zur Flucht in den Westen. In Westberlin als politischer Flüchtling anerkannt, arbeitete er als Richter in Wiedergutmachungsfragen am Landgericht.

Die Personalakte von Dr. Kurt Prager ist ein eindrückliches Beispiel dafür, das Ambivalenz die Personalpolitik im Nordsternhaus in der Zeit nach 1949 prägte. Neben der NS-Belastung und Verfolgung beeinflusste die Abgrenzung zum SED-Regime die Einstellung politisch Geflüchteter aus der DDR.

Prager Bild_2

Werdegang vor 1945


3. Dezember 1898 in Berlin-Charlottenburg geboren

1905-1912 Besuch des Mommsen-Gymnasiums in Berlin

1912 Erhalt des Reifezeugnisses

1917-1918 Frontsoldat (Vizefeldwebel) im 1. Weltkrieg

1919-1922 Juristisches Studium an der Universität Berlin

1922 Referendarexamen, Note "ausreichend"

1922-1925 Referendar im Bezirk des Kammergerichts Berlin

1925 Kammergerichtsexamen, Note "ausreichend"

1925-1926 Assesor in Kommissorien in Jüteborg und Dahme

1926 Assesor in Doberlugk

1926-1927 Asseosor in Müncheberg

1927 Assesor am Kriminalgericht Berlin-Moabit

Lebenslauf

1927-1932 Assesor am Landgericht III Berlin-Charlottenburg

1932 Anstellung als aufsichtsführender Richter am Amstgericht Rheinsberg

1932 Heirat

1. März 1933 Beurlaubung aus rassischen Gründen

1. Oktober 1933 Wiedereinstellung in den Justizdienst als Land- und Amtsgerichtsrat am Land- und Amstgericht Prenzlau (Begründung: Frontkämpfer im 1. Weltkrieg)

Juli 1935 Geburt seines Sohnes

1. Oktober 1935 Endgültige Entlassung aufrgund der Nürnberger Gesetze

1935-1940 ohne Beruf

Mai 1940-April 1945 Zwangsarbeit

22. November 1943 Familienwohnung in Berlin wird ausgebombt

Beförderung mit Hindernissen


Mitgliedschaften: 1919-1928 Deutsche Demokratische Partei


17.3.1950, Willi Hensch, ehemaliger Bürgermeister Treuenbrietzens:

„Ich weiß, daß Dr. Prager Jude ist. [...] Aber mein Rechtsempfinden empört sich, wenn ich hören muss, daß ein Mensch wie Dr. Prager als "rassisch Verfolgter“ angesehen wird, wenn er erst fast volle 5 (fünf) Jahre die "Segnungen der [...] gennossen hat und jetzt mit einem Male von seinem Gewissen getrieben nicht mehr mitmachen kann."

(Auszug aus der Personalakte, Eingabe von Willi Hensch)

Prager-Auszug Akte

Werdegang nach 1945


1945 Vergeblichee Versuche, in Berlin wieder Anstellung im Justizdienst und eine neue Wohnung zu erlangen

1945 Übersiedlung in die märkische Kleinstadt Treuenbrietzen zu seiner aus Berlin evakuierten Familie

1945-1949 Anstellung als aufsichtsführender Richter am Amtsgericht Treuenbrietzen (Sowjetische Besatzungszone)

8. März 1950 Flucht nach Westberlin und Anerkennung als politischer Flüchtling

1950 Anstellung als Richter am Landgericht

1950 Abordnung als Beisitzer an das Wiedergutmachungsamt (Teil der Senatsverwaltung für Justiz)

1951 Beförderung als Richter zum Kammergericht

1960 Versetzung in den Ruhestand

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Die Anschludigung

Während des laufenden Beförderungsverfahrens Dr. Pragers zum Kammergericht wirft der ehemalige Bürgermeister Treuenbrietzens (Willi Henschel) diesem überrraschend vor, Unrecht im Namen des SED-Regimes gesprochen zu haben.

Die Senatsverwaltung befragte daraufhin im Namen des Justizsenators Dr. Kielinger den „Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen“ mit Sitz in Westberlin, um von diesem eine Einschätzung zu den Anschuldigungen zu erhalten. Dr. Prager bemühte sich diese schnell zu entkräften und gab eine Reihe von Leumundszeugen an.

Es stellte sich heraus, dass Dr. Prager den Bürgermeister Willi Henschel wegen Übler Nachrede verurteilt hatte. Dieser hatte bei einer lokalen Versammlung geäußert, alle Opfer des Faschismus seien „Strolche, Lumpen und Verbrecher“. Willi Henschel verlor in der Folge seine Stellung als Bürgermeister.

Die Reaktionen der Senatsverwaltung vielen ambivalent aus. Der für das Beförderungsverfahren Dr. Pragers miteinbezogene Kammergerichtspräsident empfahl, der Anschuldigung des Bürgermeisters keine weitere Beachtung zu schenken. Der Justizsenator Dr. Kielinger hingegen blieb misstrauisch und hält die Leumundszeugen selbst für Spitzel des SED-Regimes. Deswegen ordnet er an, die Belastungszeugen nochmals anzuhören. Die Akte schweigt dazu, ob eine Anhörung letztlich stattfand.  Am Ende steht jedenfalls fest: Dr. Prager wird aufgrund seiner herausragenden Leistungen zum Kammergericht befördert.

Aktendeckel